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GEFÜHLE IM BUSINESS. LEBEN ODER LASSEN? (2)
Im ersten Teil dieser dreiteiligen Blogreihe „Gefühle im Business“ haben Sie erfahren, woran es liegen kann, dass viele Erwachsene ihren Gefühlen keinen angemessenen Raum geben können. Ich habe Ihnen ein Modell vorgestellt, das Ihnen zeigt, wohin wir Gefühle, die unbequem erscheinen und mit denen wir nicht gut umgehen können, verschieben. Des Weiteren durften Sie sich mittels einiger Fragen Ihrer Gefühle und Ihrer Einstellungen dazu bewusster werden.
Im zweiten Teil erfahren Sie, welches Geschenk Gefühle uns bereiten und warum es deshalb auch im Business wichtig und richtig ist, Gefühlen Beachtung und Raum zu geben.
Teil 2: Deshalb sollten Sie Ihren Gefühlen – auch im Business – Beachtung schenken.
Wenn Sie sich daran erinnern, wohin Sie Ihre Gefühle verschieben können, so wird schnell klar, dass dies dauerhaft keine Lösung sein kann. Das Somatisieren Ihrer Gefühle kann körperliche Folgen für Sie haben. Das Rationalisieren, Dramatisieren und Projizieren Ihrer Gefühle trägt nicht wirklich zu einer konstruktiven und wertschätzenden (Arbeits-)Atmosphäre bei.
Bewusst unsere Gefühle wahrzunehmen, ist sehr entscheidend für unsere Steuerungs- und Handlungsfähigkeit. Wenn wir unsere Gefühle bewusst wahrnehmen, geben wir uns die Chance, unsere Bedürfnisse zu erkennen und zu befriedigen. Wenn unsere Gefühle uns handlungsfähig machen, so gilt dies auch im Arbeitskontext. Die Meinung, dass Gefühle in diesem Kontext nichts verloren haben und rationale Entscheidungen verhindern, ist gelinde gesagt Nonsens. Sie können niemals Ihre Entscheidungen unabhängig von Ihren Gefühlen treffen – egal wie Sie sich entscheiden, ob für, mit oder gegen Ihr Gefühl. Noch so vermeintlich rationalen Entscheidungen liegt stets ein Gefühl zugrunde.
Die Frage, die sich vielmehr stellt ist: Welche Funktion haben unsere Gefühle? Und wenn ich einen Schritt weitergehe: Welches Geschenk, welche Chance steckt in ihnen – für uns und andere?
Lassen Sie uns für die Beantwortung dieser Fragen die 5 „großen“ Gefühle näher betrachten.
Sie entstehen auf der Grundlage von bestimmten Bedürfnissen, haben ihre Wurzeln in der Vergangenheit und zielen auf Absichten für die Zukunft.
Angst
Angst (Furcht oder Sorge) entsteht, wenn wir eine Gefahr, einen Verlust oder einen Mangel befürchten. Diese Bedrohung kann real oder irreal sein. Sie kann sich auf materielle, körperliche, psychische oder soziale Verluste/Bedrohungen beziehen.
Angst weist uns zum einen darauf hin, dass uns etwas im Leben sehr wichtig ist – da wir es bedroht sehen oder befürchten, es sogar zu verlieren. Hier erfahren wir sehr körperlich, was uns im Leben wichtig ist. Das ist ein großes Geschenk, denn so lernen wir, unsere Aufmerksamkeit auf das uns Wichtige zu fokussieren und uns nicht weiter mit diversen Nebensächlichkeiten abzulenken.
Angst zeigt uns auch, dass wir davor stehen, unsere Komfortzone zu verlassen. Sie ist die Grenze vom Bekannten ins Unbekannte, der Übergang von (vermeintlicher) Kontrollierbarkeit zu (vermeintlicher) Unkontrollierbarkeit. Hier haben wir die Möglichkeit, über uns hinauszuwachsen, Neues zu lernen, neue Potenziale oder neue Facetten an uns zu entdecken. Angst hilft uns also, uns zu ent-wickeln.
Geben wir der Angst keinen adäquaten Raum, nehmen wir sie nicht ernst, sondern vermeiden sie, hindern wir uns daran, uns zu ent-wicklen. Wir füttern dann vielmehr unsere Angst, die so immer größer werden kann.
Vor diesem Hintergrund ist alles, was Sicherheit vermittelt, nützlich. So braucht Angst Verbindung und Vertrauen – in uns selbst und in andere. Als Führungskraft ist es immens wichtig, die Angst Ihrer Mitarbeiter ernst zu nehmen und ihnen Sicherheit und Vertrauen zu schenken. So tragen Sie zur Mitarbeiterentwicklung bei. Dies können Sie jedoch nur, wenn Sie Ihre eigene Angst respektieren und mit ihr gesund umgehen können. So fängt gute Führung tatsächlich mit Selbstführung an.
Wut
Wut (Zorn, Trotz) entsteht, wenn etwas für uns in die falsche Richtung zu laufen scheint. Sie entspringt einer Respektlosigkeit oder einer Nichtbeachtung der eigenen Würde. Sie weist uns auf eine Grenzverletzung z. B. in Form einer Unhöflichkeit, Kränkung oder Benachteiligung hin.
Das Geschenk der Wut ist es, uns unsere Grenzen bewusstzumachen – Grenzen im Sinne von Werten und Selbstachtung. Sie ist ein Ja zu uns selbst. Sie fordert uns auf, klare Entscheidungen zu treffen, unsere Ziele und unsere Position klar zu haben, zu wissen, was wir wollen und uns auch nach außen zu positionieren. Auch in ihr steckt ein massives Entwicklungspotenzial für uns, denn Wut will Handlung ermöglichen. Unangemessen gelebt wirkt sie zerstöririsch, verletzend und entwicklungshemmend.
Als Führungskraft ist es somit immens wichtig, dass Sie Wut ernstnehmen und gut kanalisieren. Als oberstes Ziel steht dabei die Kontrollierbarkeit der Wut. Dafür darf ihre Energie zunächst in Aktivität umgewandelt werden – z. B. durch Bewegung.
Ebenfalls ist es hilfreich zu erkennen, ob es sich tatsächlich um Wut handelt oder ein originäres Gefühl nicht „nur“ in Wut verwandelt wurde (s. Dramatisieren von Gefühlen in Teil 1). Oft werden Mitarbeiter gerade bei weitreichenden Veränderungen im Unternehmen (Changeprozessen) wütend. Sehr oft verbirgt sich hinter dieser Wut Angst. In diesem Fall meinen Ihre Mitarbeiter – vollkommen unbewusst – mit Wut besser umgehen zu können oder mehr zu erreichen. Sie wollen ihre Angst nicht zeigen.
Trauer
Trauer (Traurigkeit) entsteht, wenn es heißt, Abschied zu nehmen. Sie ist eine Reaktion auf Trennung, Verlust aber auch Enttäuschung. Trauer zielt auf Heilung und darf deshalb unbedingt gefühlt werden. Wird Trauer abgewehrt oder verleugnet, so äußert sich dies sehr oft in Überaktionismus, übertriebener Heiterkeit, Ablenkung oder auch in Form von Suchtverhalten. Trauer benötigt sehr viel Energie und macht kraftlos. Sie bewegt sich in Wellen – kommt und geht. Es ist hier sehr wichtig, dass sie benannt wird und ihr der Raum und die Zeit gelassen werden, die sie braucht. Trauer braucht am längsten von allen Gefühlen, wird jedoch – gut geachtet und gelebt – von allein gehen.
Trauer schenkt uns Tiefe und Weisheit. Sie hilft uns loszulassen, wertzuschätzen und unser Herz zu öffnen. Gerade letzteres erachte ich in der heutigen Zeit für absolut notwendig, um gesund und friedvoll unsere Zukunft zu gestalten.
Zu viel Trauer erzeugt Depression, Melancholie aber auch Selbstmitleid. Deshalb ist es wichtig, dass wir keine Angst vor unseren Tränen haben. Es ist wichtig, Menschen zu haben, die mit uns fühlen, die da sind – mit Verständnis, Geduld und Hilfsbereitschaft. Es ist wichtig in Zeiten, in denen wir uns besser fühlen, zu wissen, wo und wie wir Energie tanken können und dies auch zu tun. Dies hilft uns in Zeiten einer erneuten Trauerphase (s. Wellenbewegung von Trauer) besser hindurchzukommen.
Scham
Scham ist auf das Ich (das Selbst) fokussiert. Somit ist die Fähigkeit, sich zu schämen eng verbunden mit der Fähigkeit, über sich selbst zu reflektieren. Scham kann entstehen durch Beschämung, indem ein anderer in unseren schamgeschützten Bereich eindringt, den der andere nicht sehen darf. Sie kann jedoch auch entstehen, wenn wir positive Seiten an uns nicht anerkennen wollen. Scham sagt uns, dass wir denken: „Du bist falsch.“ – „Dieser Anteil von dir ist nicht okay.“ Scham entsteht auch, wenn wir uns für unsere Scham schämen. Im beruflichen Kontext wird die Scham oft als „das Gesicht verlieren“ dargestellt.
Scham schenkt uns die Möglichkeit, Dinge in uns zu verändern, die wir als nicht richtig empfinden. Sie gibt uns die Chance, positive Anteile in uns anzuerkennen und zu genießen. Sie eröffnet uns den Raum, inneren Anteilen, die wir fürchten, zu begegnen und die anzunehmen, die wir nicht ändern können. Somit kann Scham die Energie freisetzen, die wir benötigen, um uns als ganz und richtig wahrzunehmen. Sie kann uns die Angst vor Misserfolgen und Fehlern nehmen. Sie schenkt uns Mut, um uns weiterzuentwickeln und uns immer besser kennenzulernen. Dank unserer Scham können wir Selbstliebe entwickeln, lernen unsere Schwächen anzunehmen und Verständnis für unser Gegenüber zu entwickeln.
Um dieses Potenzial gut zu nutzen, braucht Scham einen bewertungsfreien Raum voller Wohlwollen und Herz. Ein guter und wertschätzender Umgang mit Scham unterstützt Sie als Führungskraft bei der Weiterentwicklung Ihres Teams. Sie können somit in und mit jedem Mitarbeiter ungeahnte Kräfte freisetzen.
Freude
Freude zeigt uns, dass wir etwas als stimmig, als richtig wahrnehmen. Freude schenkt uns Kraft, verleiht uns Begeisterung und motiviert uns, weiter voranzuschreiten. Freude lässt uns mit anderen in Verbindung treten, lässt uns teilen. Sie verleiht uns Großzügigkeit und entspannt uns.
Leider ist es oft so, dass sich viele Menschen nur noch in begrenztem Maß freuen können. Sätze wie: „Freu dich bloß nicht zu früh.“ oder „Das dicke Ende kommt bestimmt noch.“ sowie unnütze Vergleiche mit besseren, schöneren, schnelleren usw. Menschen/Situationen/Ergebnissen lassen Freude eintrüben. Dadurch geben wir uns oder anderen nicht die angemessene Wertschätzung.
Mit Freude können wir das Leben ausgiebig genießen, können wir gute und gesunde Verbindungen mit uns und mit anderen Menschen eingehen. Dank tief gelebter Freude entwickeln wir Charisma, werden wir zum Vorbild für andere. Wir entwickeln ein gesundes Maß an Selbstliebe und Akzeptanz, uns und unseren Mitmenschen gegenüber.
Freude braucht auf jeden Fall jemanden, der sich aus ganzem Herzen mitfreut. Als Führungskraft ist dies ganz wichtig. Wenn sich Ihr Mitarbeiter freut, dann freuen Sie sich mit und vergleichen sein Ergebnis oder Erlebnis nicht mit anderen, um es somit abzuwerten. In dem Augenblick, in dem Sie sich aus ganzem Herzen mitfreuen, stärken Sie Ihren Mitarbeiter und unterstützen ihn dabei, sich zu vertrauen, um sich in Zukunft noch mehr zu trauen.
Fragen für die Entwicklung Ihres Gefühls-Selbstbewusstseins
- Wie gehen Sie mit den vorgestellten Gefühlen für sich selbst um?
- Was können Sie bei sich selbst verändern, um beim Thema „Gefühlen Raum geben“ ein Vorbild für andere zu sein?
- Wie begegnen Sie den Gefühlen anderer – Ihrer Mitarbeiter, Ihrer Kollegen?
- Wie können Sie das Entwicklungspotenzial jedes einzelnen Gefühls für sich/für Ihre Mitarbeiter/für Ihre Kollegen freilegen? Was können Sie konkret tun?
Im dritten und letzten Teil der Blogreihe „Gefühle im Business“ zeige ich Ihnen einen möglichen Weg auf, wie Sie das Geschenk der Gefühle tatsächlich nutzbar machen können. Damit geben Sie sich und anderen die Chance, wertvolle Potenziale freizulegen und Weiterentwicklung zu fördern.